Den August im Jahr 2022 verbrachte ich bei der spanischen Polizei. Es fing alles damit an, dass ich im Frühjahr 2022 aus meinem Urlaub zurückkam und auf der Intranetseite einen Artikel entdeckte, in dem ein vorübergehender Auslandseinsatz in Spanien ausgeschrieben wurde. Etwas nervös bewarb ich mich dafür, wissend, dass ich mich erst kurz vor Bewerbungsschluss gemeldet hatte. In meiner Vorstellung musste das Postfach des Innenministeriums vor Bewerbung geradezu überquellen. Nach mehreren Wochen und einem Vorstellungsgespräch in Düsseldorf sowie einem Telefonat mit dem spanischen Polizeiattaché erhielt ich dann den herbeigesehnten Anruf: es ging für mich einen Monat in den Norden von Mallorca, um dort mit der Guardia Civil zu arbeiten! Als Vorbereitung für den Einsatz fing ich also wieder an, intensiv Vokabeln und Grammatikregeln aufzufrischen.
Das spanische Polizeisystem
Das spanische Polizeisystem unterscheidet sich von dem deutschen, und so sind dort die Zuständigkeiten nicht hauptsächlich nach Örtlichkeit, sondern auch nach Tätigkeit getrennt. Es existieren am gleichen Ort also mehrere Polizeien gleichzeitig. Die Guardia Civil arbeitet überall in Spanien und ist dem König unterstellt. Sie betreibt kleinere Wachen in den Gemeinden sowie Anzeigenaufnahmebüros an belebten Orten, wie zum Beispiel an der Strandpromenade. Außerdem gab es noch die Policia Local, die ihrem Ort zugehörig sind - ähnlich dem Ordnungsamt - und uns mehrfach auf Einsätzen begleiteten. In großen Städten ist die Policia Nacional für die Einsatzbewältigung zuständig.
Arbeiten mit der Guardia Civil
Im Vorhinein machte ich mir viele Gedanken darüber, ob meine Anreise klappen würde. Zu der Zeit wurde in den Medien immer wieder von kilometerlangen Schlangen vor dem Sicherheitscheck am Flughafen berichtet und ich war noch nie vorher bewaffnet geflogen: auch diesbezüglich war ich etwas nervös. Am Ende klappte jedoch alles wunderbar und ich wurde in Palma de Mallorca am Flughafen von zwei spanischen Kollegen in Empfang genommen und zu meinem Hotel gebracht. Während der gesamten vier Wochen meines Aufenthalts blieb ich dann in diesem Hotel: direkt am Strand in dem kleinen Ort Can Picafort gelegen, mit Swimming Pool und Vollpension. So ließen sich auch die Feierabende sehr gut aushalten.
Direkt am nächsten Morgen wurde ich von meinem Hotel abgeholt. Ich sollte grundsätzlich nur zu Früh- und Spätdiensten Dienst versehen, da zu dieser Zeit die meisten Touristen zur Anzeigenerstattung kamen. Entweder verbrachte ich dann meinen Dienst mit auf Streife, oder unterstütze einen Kollegen bei der Anzeigenaufnahme in einem der kleinen Anzeigenaufnahmebüros oder auf der Wache. Zu Dienstbeginn wurde ich jedes Mal am Hotel abgeholt und danach wieder dorthin gebracht. Während der Streife habe ich dann sehr schnell festgestellt, dass man durch kein Pauken der Welt eine Sprache so gut lernt, wie wenn man acht Stunden am Tag mit einem Spanier oder einer Spanierin alleine in einem Auto sitzt und Streife fährt. Denn dort bin ich fast durchgehend als Streifenpartnerin verwendet worden. Geholfen hat mir die unerschöpfliche Gastfreundschaft und Geduld meiner spanischen Kolleginnen und Kollegen; und sobald ich meine Zurückhaltung abgelegt hatte, lief die Kommunikation fast von alleine und meist problemlos.
Doch im Ausland habe ich nicht nur eine andere Sprache, sondern auch eine neue Arbeitsweise kennengelernt: während einer Schichten vor Ort gab es deutlich weniger außen veranlasste Einsätze, als ich es aus meiner Heimatbehörde Bonn kenne. Wir verbrachten trotzdem die gesamte Schicht auf Streife in Präsenz und fuhren nur für kurze Toilettenpausen zur Wache. Zu meinem Arbeitsbereich gehörten mehrere kleinere Dörfer, mit jeweils etwa 5.000 - 10.000 Einwohnern. In der Hochsaison vervielfachte sich die Einwohnerzahl durch die Touristen etwa auf das Doppelte bis Dreifache. Doch viele meiner spanischen Kollegen kannten trotzdem den Großteil „ihrer“ Einwohner. Oft hielten wir also an und unterhielten uns mit einheimischen Passanten oder mit Restaurant- und Barbesitzern über die aktuelle Lage, Neuigkeiten und ob ihnen etwas aufgefallen ist. Viele kannten die Guardias (wie sich die Polizisten der Guardia Civil selbst nennen) bei ihren Namen und waren immer für eine Unterredung zu haben. So wurde es während der Schichten niemals langweilig.
Die Freundlichkeit uns gegenüber war wirklich enorm und wir waren immer gerne gesehen. Die Bürger freuten sich auch, wenn sie die spanische Polizei bei einem Kaffee an der Promenade sitzen sah. Auf Nachfrage erklärte man mir, dass es schließlich viel sicherer sei und es ein gutes Gefühl gebe, wenn die Guardia Civil mit im Speiseraum sei oder der Streifenwagen auf dem Parkplatz eines Geschäftes stehe. Ein Restaurantbesitzer erklärte mir, dass es bei ihm keine Fälle von Autoaufbrüchen mehr gegeben habe, seitdem das Fahrzeug der Guardia Civil regelmäßig bei ihm auf dem Parkplatz parke.
Von zwei Einsätzen, an denen ich beteiligt war
Auch ich habe in diesem Monat durchweg positive Resonanz erhalten. Sowohl Einheimische als auch Touristen haben mich oft neugierig, aber niemals ablehnend gefragt, was die deutsche Polizei auf Mallorca mache. Einige Male half ich übersetzen, als deutsche Touristen, aber auch deutsche Auswanderer, die nicht sehr gut spanisch sprachen, auf einer der Wachen Anzeige erstatten wollten. So passierte es, dass ich auf der Wache einen Kollegen unterstützte, der eine Position ähnlich des hiesigen Wachdienstführers innehatte. Eine deutsche Auswanderin, die bereits seit zwei Jahren auf Mallorca wohnte, saß weinend vor ihm, weil sie beinahe Opfer eines Telefonbetruges geworden war und dies noch nicht verstanden hatte. Sie hatte dem Kollegen den Sachverhalt bereits auf Spanisch grob schildern können, hatte jedoch seine Antwort nicht verstanden, und war immer noch in dem Glauben, dass jemand ihre Identität gestohlen hatte und ein internationaler Haftbefehl gegen sie laufe. Erst nach unzähligen Versicherungen meinerseits ging sie nach über einer halben Stunde etwas beruhigter nach Hause. Einige Tage später traf ich die Frau zufällig bei einem Spaziergang wieder. Sie hatte sich wieder gefasst und sah das Erlebte nun objektiver. Sie bedankte sich mehrfach bei mir und erklärte, wie viel sicherer sie sich durch die Anwesenheit der deutschen Polizei gefühlt hatte.
Ein anderes Mal wurde ich gegen Mitternacht angerufen, als ich in meinem freien Tag war. Meine spanischen Kollegen erklärten mir, dass es einen Fall von Häuslicher Gewalt zwischen einem deutschen Touristenpärchen gegeben habe. In Spanien existiert ebenfalls eine gesetzliche Regelung, die Frauen vor Gewalt durch ihren Partner schützt und weitergehende Maßnahmen erlaubt; so wird der Aggressor regelmäßig festgenommen und direkt am nächsten Tag einem Richter vorgeführt. Im Gegensatz zur Gesetzeslage in Deutschland funktioniert dieser Schutz jedoch nur in eine Richtung: Männer haben keinen Anspruch darauf, sollten sie von ihrer Partnerin misshandelt werden. In meinem Fall handelte es sich um eine junge Frau aus dem Saarland, welche von ihrem alkoholisierten Lebensgefährten mehrfach geschlagen worden ist. Sie konnte sich und das gemeinsame, 10 Monate alte Kind zur Rezeption ihres Hotels retten, von wo aus die Guardia Civil verständigt wurde. Mehrere Stunden half ich, dem Beschuldigten die Situation und das weitere Vorgehen zu erklären, denn er war vorläufig festgenommen worden. Ebenso übersetzte ich danach die Aussage der Geschädigten und ging einen Fragenkatalog mit ihr durch, welcher bei einer Häuslichen Gewalt zur Einschätzung des Risikos für die Frau ausgefüllt wird. Beide sprachen weder Spanisch noch Englisch.
Am nächsten Tag fand der Gerichtstermin statt. Bei einem späteren Telefonat mit der Geschädigten erfuhr ich, dass sie direkt ein Annäherungsverbot erwirken konnte und dem Beschuldigten untersagt wurde, im gleichen Flugzeug mit ihr heimzufliegen. Ebenfalls erhielt sie das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind, welches galt, bis es von einem deutschen Gericht bestätigt wurde. Zusammen mit mir arbeitete ein weiterer Kollege aus NRW, welcher mir davon berichtete, dass die Familie der Geschädigten nun von der Familie des Beschuldigten bedroht wurde. Gemeinsam konnten wir über das Innenministerium NRW das Innenministerium im Saarland informieren und die Geschädigte anweisen, den Sachverhalt in Deutschland zur Anzeige zu bringen.
Doch so viel ich während dieser vier Wochen dienstlich und sprachlich gelernt habe, bleibt das Wichtigste, was ich aus Spanien mitgenommen habe, einzigartige Erinnerungen und neue Freundschaften, die hoffentlich noch lange halten werden. In diesem Sinne: ¡Hasta luego!