In dem Zeitraum vom 3. Juli 2022 bis 31. Juli 2022 wurde ich im Rahmen der europäischen Kommissariate in Sainte-Croix-du-Verdon eingesetzt. Das kleine Dorf liegt am See Sainte-Croix im Département Alpes-de-Hautes-Provence und umfasst nur 119 Einwohner. Während der Sommermonate Juli und August kommt reges touristisches Leben in den Ort und die Region. Der künstlich angelegte See mit fast 11 km Länge ermöglicht zahlreiche Wassersportarten und Baden ist fast überall erlaubt. Die Verdon schlängelt sich durch den umliegenden UNESCO Geopark der Haute Provence und bietet u.a. Kajak- und Bootstouren. Die Verdonschluchten ziehen Wanderer an, die faszinierende Aussichten geboten bekommen. Endlos lange Serpentinen, die sich durch die Schluchten ziehen, sind bei Motorradfahrern sehr beliebt. Dazu kommen die für die Provence so typischen Lavendelfelder, die Urlauber aus aller Welt anziehen.
Es sind vor allem inländische Touristen, die Sainte-Croix besuchen, direkt danach jedoch auch viele Deutsche, Belgier, Niederländer, Italiener, Spanier, Chinesen und Dänen. So gab es für mich zahlreiche Gelegenheiten, mit Urlaubern deutsch aber auch englisch zu sprechen und meine Kollegen damit zu unterstützen. Auf der provisorischen Wache der Gendarmerie in Sainte-Croix-du-Verdon wurde ich herzlich aufgenommen. Sie befindet sich zusammen mit dem Tourismusbüro in einem kleinen Gebäude an der Zufahrt zur Ortschaft und wird nur im Juli und August betrieben. Die Brigade in Sainte-Croix gehört zur Compagnie von Castellane. Hier arbeiten tagsüber etwa drei bis vier Gendarmen, darunter aktive und Reservisten. Reservisten sind Gendarmen, die entweder im Ruhestand weiter saisonweise arbeiten oder neben ihren Hauptberufen für die Gendarmerie tätig sind. Nur eine Hand voll Kollegen blieb über den vierwöchigen Aufenthalt vor Ort; alle anderen arbeiteten im Rotationsprinzip auf den umliegenden Wachen und ich musste sie allzu oft nach kurzer Zeit wieder verabschieden.
Im Obergeschoss der Wache befinden sich vier Appartements für Angehörige der Gendarmerie. Eines davon war für mich vorgesehen und durchaus gut ausgestattet. Man isst täglich gemeinsam in einem Restaurant im Ort und verbringt auch sonst viel Zeit zusammen. Die Dienstzeit wurde über den Tag verteilt. In der Regel arbeitet man von 8 Uhr (oder je nach Dienstende am Vortag 10 Uhr) bis 12 Uhr, von 15 bis 18 Uhr und wieder von 21 bis 23 Uhr. Nachts hatte ich Bereitschaft und wir sind nicht selten wegen Ruhestörungen oder Alarmauslösungen aus dem Bett geklingelt worden. Ein Thema, das alle belastet hat, war sicherlich die für die Region unübliche Hitze. In vier Wochen hatten wir drei Tage unter 34 Grad, viele aber auch über 40 Grad. In den Appartements war es fast so heiß wie draußen, sodass kaum jemand richtig geschlafen hat. Der Streifenwagen hatte zudem keine Klimaanlage. Die Kollegen haben oft nachts ihr Zimmer verlassen und sind im See baden gegangen, um sich irgendwie abzukühlen. Fenster zu öffnen, bedeutete zwangsläufig Tigermücken hereinzulassen, die aufgrund der Nähe des Sees eine echte Plage darstellten. Wie immer sind aber widrige Umstände nur halb so wild, wenn man sie zusammen mit Humor erträgt. Die Auswirkungen für die Natur sind weitaus dramatischer. In der Region hatte es zuletzt im Dezember richtig geregnet. Der See hat einen Wasserstand von 5 m unter normal und die gesamte Vegetation ist knochentrocken. Ein kleinster Funke reicht um einen verheerenden Waldbrand auszulösen. Dies war auch das Hauptthema der Streifentätigkeit: Das Informieren über die Gefahr von Waldbränden und unermüdliche Kontrollen diesbezüglich. Lagerfeuer, Grillen, Gaskocher, Rauchen... alles war strengstens untersagt.
Mein allgemeines Aufgabengebiet betreffend war ich am Anfang etwas überrascht. Man erklärte mir, dass die Gendarmerie auf den provisorischen Wachen auf dem Lande keine Einsätze übernimmt, dafür aber den Fokus auf den Kontakt mit der Bevölkerung legt. In ausgiebigen Gesprächen mit Bewohnern erhielten die Kollegen viele Informationen und Hinweise auf verdächtige Vorgänge. Die Bevölkerung rief bevorzugt direkt auf der Wache an und meidete den allgemeinen Notruf. Ich habe festgestellt, dass die ungewohnte Nähe zu den Bürgern Vorteile hat, durchaus aber auch zu Zwickmühlen führen kann. Letztlich haben wir doch in unserem Einzugsgebiet anfallende Einsätze übernommen oder uns selbst eine Tätigkeit geschaffen. Die Kollegen waren hier hochmotiviert und ich wurde vielfältig eingesetzt. Hier eine Übersicht meiner Aufgaben und Einsätze:
- Verkehrskontrollen,
- Radstreifen mit dem Mountainbike,
- Absperrmaßnahmen bei Hubschraubereinsätzen am See,
- Fußstreife und Bootsstreifen bei Nacht mit dem ONF (office national des forêts), den Ecoguards und der Feuerwehr,
- Dolmetscherfunktion bei Vernehmungen, auch aus dem Englischen in die französische Sprache,
- Anrufe bei deutschen Beschuldigten und Geschädigten,
- Unterstützung bei Unfallaufnahmen (hier vor allem in Form von erster Hilfe),
- Kontakthalten mit dem Bürgermeister von Sainte-Croix und
- Öffentlichkeitsarbeit in Form von Interviews mit einem lokalen Radiosender.
Herauszuheben ist das Engagement der französischen Kollegen, mir die Struktur und Abläufe bei der Gendarmerie und die Besonderheiten der Region zu erklären. Der Commandant der Compagnie Laurent Pons hatte sich einen ganzen Tag für mich Zeit genommen. Er zeigte mir die typischen Touristenmagnete der Region mit all ihren Gefahren für Urlauber. So gibt es zum Beispiel immer wieder zahlreiche Badeunfälle und Abstürze von Klippen. In Castellane habe ich die Dienststelle der PSIG (peloton de surveillance et d'intervention de la Gendarmerie) besucht und eine Vorstellung der brigade de recherche (ähnlich dem KK 11) erhalten.
Sprachlich konnte ich mich während meines Aufenthaltes immer wieder einbringen. So habe ich zum Beispiel nach einem Fahrradunfall einer deutschen Urlauberin mit ihrem Ehemann telefonisch Kontakt gehalten. Wir haben die Abholung der Fahrräder organisiert und auch außerdienstlich über die wohlmöglich bestmögliche medizinische Versorgung und die Rückholung über die Auslandskrankenversicherung nach Deutschland gesprochen.
Insgesamt wurde die Anwesenheit deutscher Polizei von den Einwohnern und deutschen Touristen als sehr positiv wahrgenommen. In Gesprächen waren die Urlauber sehr überrascht und letztlich erfreut, einen Ansprechpartner zu haben. So suchte mich eine deutsche Familie, mit der ich mich einige Tage zuvor unterhalten hatte, gezielt auf der Wache auf, nachdem sie einen freilaufenden Hund eingefangen hatte. In einem Gespräch mit einem Deutschen, der seit 30 Jahren die Sommermonate in Frankreich verbringt, bekräftigte er wie wichtig Projekte dieser Art seien. Er sagte, zwei starke Demokratien wie Deutschland und Frankreich müssten besonders heutzutage ihre Freundschaft beständig ausbauen. Nur einmal bin ich auf latente Feindseligkeit gestoßen. Während meine Kollegen ein älteres französisches Ehepaar wegen Falschparkens verwarnten, beschwerte sich die Dame über die Maßnahme und sagte in meine Richtung, dass ihr Vater damals ja von Deutschen ermordet worden sei. Das war die absolute Ausnahme und ich habe es unkommentiert gelassen.
Dafür erinnere ich mich gerne an ein Gespräch mit einem betagten Bauern, der große Freude hatte, seine deutschen Sprachkenntnisse noch einmal aufleben zu lassen, die er vor 60 Jahren in der Schule erworben hatte. Abschließend möchte ich sagen, dass mein Einsatz in Frankreich auch dieses Mal wieder eine eindrückliche und bereichernde Erfahrung war. Ich bin mir sicher eine Unterstützung für die Gendarmerie und die Touristen dort gewesen zu sein. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich ist sehr wichtig und erhaltenswert und ich bin dankbar, ein Teil davon gewesen zu sein.