Mittwochmorgen ist auf den Straßen von Münster noch nicht viel los. Keine Spur von dem wichtigen Treffen im Rathaus, das in wenigen Stunden ansteht. Während die deutsche Außenministerin und Gäste aus den führenden sieben Industrienationen noch ihre Akten packen, beziehen Polizeibeamtinnen und -beamte und Angestellte schon Stellung. Im Polizeipräsidium am Friesenring laufen die Fäden zusammen.
40 Kolleginnen und Kollegen der Presse und Öffentlichkeitsarbeit aus ganz NRW nehmen ihre Plätze ein. Die Polizei schreibt Kommunikation und Transparenz groß. Es wird getwittert und gepostet, Statements werden vor den Kameras internationaler Medien abgegeben und offizielle Besucher begleitet. Tauchen am Straßenrand verdächtige Gegenstände auf, müssen nicht nur die Entschärfer, sondern auch die Pressesprecher-Teams schnell vor Ort sein. Es gilt, Verständnis zu schaffen für Sperren und Einschränkungen. In den drei Tagen des G7-Gipfels brauchen Besucherinnen und Besucher bestimmter Bereiche der City eine gute Begründung, um in sensible Gebiete zu gelangen. Kundgebungen, Verkehrsstaus – alles, was so ein hochrangiges Politikertreffen mit sich bringt, steht auch im westfälischen Münster auf der Tagesordnung.
Auch die eigenen 3.800 Kräfte freuen sich über Informationen jenseits der Befehlsketten. Die Kolleginnen und Kollegen stehen bei solchen BAO-Lagen stets mittendrin und sind doch außen vor: Die Informationen laufen bekanntlich in den Führungsgruppen und im Führungsstab zusammen. Auf der Straße kann jeder nur seinen Einsatzabschnitt beurteilen.
Deshalb liefert der Unterabschnitt 2 der Einsatzbegleitenden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (EPÖA) Infos per polizeiinternem Messenger und macht die Welle: „Radio Seven“, immer sieben Minuten nach voll und sieben Minuten nach halb auf Funkkanal 261. Es steht im Einsatz-Handbuch. An allen Treffpunkten der Kolleginnen und Kollegen, auf den Fluren des Präsidiums oder an den Essensausgaben hängen blaue Plakate. Die neuen Kanäle ersetzen keine Führungsstrukturen, sondern sie ergänzen Funk und Telefon.
Die Büros der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium bilden die Sendezentrale und Online-Redaktion. Auf der einen Seite im 1. Obergeschoss wird der Messenger-Kanal befeuert, gegenüber funkt das Radioteam. Leonie Lagrange und Martin Weide-Drees sprechen sonst für die Kreispolizeibehörden Warendorf und Steinfurt. Während Münster dem Treffen der Außenministerinnen und Außenminister entgegenfiebert, testen sie die improvisierte „Radio“- Technik: Der Jingle kommt vom Handy, der Interview-Einspieler aus dem iPad. Beides vors Funkmikro gehalten und durch ein paar lockere Sprüche verbunden, ergibt eine Sendung. Profis können improvisieren und nehmen die Herausforderung an. Ein Blick hängt immer am Sekundenzeiger.
In ihrem „früheren Leben“ standen die gelernten Radioredakteure den halben Tag im Studio und verbreiteten oft genug gute Laune zu früher Morgenstunde. Leonie Lagrange moderierte zuletzt bei Radio Westfalica und Radio Herford. „Ich war immer ein Radiomädchen“, schwärmt die Moderatorin. „Eigentlich wollte ich schon als Kind zur Polizei“, verrät sie. Aber erst vor zwei Jahren entdeckte sie die Stellenanzeige der Polizei-Pressestelle im Kreis Warendorf. „Da habe ich nicht eine Sekunde gezögert.“ Dafür ließ sie sogar ihren bisherigen Traumjob als Radiomoderatorin sausen.
Ihr Co. am Mikrofon von „Radio“ Seven Martin Weide-Drees hat sogar 25 Jahre Radiodienst auf dem Buckel: knapp 5 Jahre in Bayern und dann rund 20 Jahre bei RADIO RST in Rheine. 2019 kam er zur Polizei. „Mit 53 wollte ich noch einmal etwas Neues machen.“ So wechselte er die Seite und spricht seitdem nicht mehr nur über, sondern auch für die Polizei im Kreis Steinfurt.
Als Dritter im Bunde fungiert Christof Hüls als Außenreporter. Er lieferte früher als Redakteur den Stoff für gedruckte Lokal- und Online-Nachrichten und arbeitete in oder um Dortmund und Frankfurt. Schon in diesem Leben war er gerne draußen und produzierte Reportagen. 2018 kam er als dritter Mann auf die Pressestelle der Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis.
Statt mit Block und Kamera ist er in Münster mit Smartphones und Mikrofon unterwegs im Einsatzgebiet zwischen Schloss und Atlantic-Hotel, dort, wo die meisten der Außenministerinnen und Außenminister nächtigen. Er pendelt mit einem ortskundigen Polizeibeamten am Steuer des Zivilwagens und einer Fotografin zwischen der Tagungsstätte im Rathaus und dem Flughafen Münster-Osnabrück, zwischen Versammlungen, LAFP NRW und Präsidium.
Die drei Regierungsbeschäftigten bilden den Kern des Radioteams. Doch kein Radioteam kommt ohne die Kolleginnen und Kollegen hinter den Kulissen aus. Das sind bei „Radio Seven“ unter anderem Kriminalhauptkommissarin Viola Groß und Polizeihauptkommissar Ralf Hövelmann. Sie haben die Idee eines BAO-Radios vorangebracht und Vorgesetzte von dem Projekt überzeugt. Viola Groß: „Die Idee entstand eigentlich vor einer geplanten BAO zu einem Castor-Transport. Der Castor kam nicht, deshalb gab es auch kein Radio. Doch jetzt ist die Gelegenheit da.“
Mittwochnachmittag, Punkt 14.07 Uhr, geht „Radio Seven“ on air. Der Jingle wurde übrigens vom Landesmusikorchester der Polizei eingespielt. Dann heißt Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf insbesondere die auswärtigen Einsatzkräfte willkommen. Leonie und Martin stellen sich und das Programm vor: „Wir sind jetzt drei Tage an eurer Seite. Von uns gibt’s bunte Geschichten, eure Erlebnisse, Nachrichten, Dinge rund um diesen Einsatz, die euch beschäftigen.“
Und geben einen kleinen Hinweis: „Das alles ist nur polizeiintern und für euch und nicht für die Öffentlichkeit gedacht.“ Dann ist die erste Minute schon rum. Die maximale Sprechdauer im Polizei-Digitalfunk gilt halt auch für Radiomacher.
Mit jeder Sendung spricht es sich mehr herum, dass Münster diesmal die Welle macht. Nach den ersten Statements aus dem Präsidium kommen die ersten Kolleginnen und Kollegen draußen zu Wort. Thomas Hidding an der zentralen Verpflegungsstelle gibt einen Einblick in den Speiseplan. Anna-Leah vom EZ20 aus Bruchsal grüßt im breiten badischen Dialekt: „Servus zusammen … und guten Dienscht! Tschau, tschau!“ Genauso kommen später Bayern, Bremer, Sachsen und Hessen zu Wort.
Ein einheimischer Kollege schildert das große Verständnis der Bevölkerung für die Maßnahmen. Ein Zugführer des Technischen Hilfswerks umreißt die Aufgaben der Bundesbehörde (Zäune setzen, für Licht sorgen). Polizeiärztin Dr. Diana von Werden verrät, dass sie bereits mit vergessenen Medikamenten ausgeholfen und Kollegen mit Rückenproblemen massiert hat.
Martin und Leonie liefern auch Fakten: Sie packen aus, was an diesem Tag im Verpflegungsbeutel steckt. Um 20.07 Uhr trötet der Jingle zum letzten Mal an diesem Auftakt-Tag über den Kanal.
Am Donnerstag und Freitag jeweils um 9.07 Uhr geht es weiter mit Interviews, Gesprächen und kurzweiligen Infos am laufenden Band, bis zum Gute-Nacht-Gruß um 20.07 Uhr. Polizeioberkommissar Simon Kaminski nutzt die Gelegenheit, sich auf seinen SchutzmannSchnurrbart ansprechen zu lassen. Einmal im Jahr begehen er und andere Kollegen den „Movember“ und sammeln Geld für eine gute Sache. Mancher Kollege „feiert“ seinen Geburtstag beim G7-Gipfel und soll nicht unerwähnt bleiben. AutobahnProfi Polizeihauptkommissar Thorsten Baumann dirigiert die italienische Eskorte durch Münster und erzählt, was alles so unterwegs passieren kann. Außenreporter Christof Hüls liefert gut 20 Life-Eindrücke und O-Töne von Kolleginnen und Kollegen, Sanitäterinnen und Sanitätern, Feuerwehrleuten und anderen Betroffenen, wie dem Wirt des Markt-Cafés.
57 Sendungen mit ein bis drei Minuten Länge sollten es am Ende werden – volles Programm eben und eine hohe Schlagzahl, selbst für erfahrene Radiomacher.
Am Freitagnachmittag trifft Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf noch einmal kurz Außenministerin Annalena Baerbock. Am Flughafen Münster-Osnabrück gibt es ein Abschlussfoto mit Polizei: Dort startet am Abend die Maschine der US-Delegation. Um 20.07 Uhr sagen auch Leonie und Martin „Tschö“ und: „Wir hoffen, wir konnten euch ein bisschen unterhalten.“