Rouen ist eine Hafenstadt an der Seine und die Hauptstadt der nordfranzösischen Region Normandie. Es leben etwa 110.000 Einwohner in der Stadt, wo im Jahr 1431 Jeanne d’Arc (die „Jungfrau von Orléans“) verbrannt wurde. Die Entfernung zum Nordseekanal beträgt ca.90 km.
Bei der „ARMADA“ handelt es sich um eine Veranstaltung, welche die Stadt Rouen seit 30 Jahren alle vier bis fünf Jahren durchführt. Hierbei legen überwiegend Großsegelschiffe, aber auch andere große Schiffe aus vielen Ländern beidseitig an den Ufern der Seine an, von wo sie durch Besucher besichtigt werden können.
50 Schiffe aus 30 verschiedenen Ländern, wie Mexiko, Brasilien, Russland, den Niederlanden und vielen anderen standen den Besuchern zur Besichtigung an und unter Deck zur Verfügung. Es wurden bis zu acht Millionen Besucher erwartet. Aufgrund der Terror-Anschläge vielerorts in der Vergangenheit wurden erstmals bei dieser Veranstaltung Absperrgitter aufgestellt und Kontrollstellen errichtet.
Ankunft und erste Einsatzbesprechung
Am 5. Juni 2019 kam ich im „Hotel de Ville“ in Rouen an, wo ich vom Kommandanten Bruno Roussel abgeholt wurde. Dieser teilte mir mit, dass noch ein weiterer deutscher, sowie zwei italienische und zwei spanische Polizeibeamte erwartet würden, die jedoch zum Teil erst am nächsten Tag anreisen würden.
Die Dienstzeiten waren von 9 bis 17:30 Uhr und von 14 bis 22:30 Uhr vorgesehen, wobei für jede dieser Schichten je ein Beamter aus Italien, Spanien und Deutschland Dienst versehen sollten. Die Wechsel sollten nach Absprache immer von Früh- auf Spät- auf Frühdienst usw.erfolgen.
Zur Begrüßung erhielt ich Kartenmaterial der Stadt und des Einsatzraumes, sowie einen Regenschirm, was mir zu denken hätte geben sollen. Dann wurden mir mein Umkleideschrank und der Frühstücksraum gezeigt. Im Anschluss nahm ich an einer Einsatzbesprechung für die französischen Fremdkräfte teil. Der Polizeipräsident und der Direktor des Departements wiesen insbesondere nochmal auf die Risiken eines Anschlags und auf eine für Samstag geplante Demonstration der „Gelbwesten“ hin, bei der es zu Ausschreitungen kommen könnte.
Im Anschluss an die Besprechung holten wir den deutschen Kollegen aus Hannover am Bahnhof ab und fuhren zur Unterkunft - einer Studentenresidenz.
Einsatzablauf
Die Beamten des Wachbetriebes und die des Sondereinsatzes „Armada“ trafen sich stets zu Dienstbeginn im „Hotel de Police“. Dort erhielten wir unsere Waffen und wurden zum ca. zwei Kilometer entfernten Einsatzraum gebracht.
Am ersten Tag richteten wir im Gebäude des Einkaufszentrums, nahe der Armada, eine Außenstelle der Polizei ein, um uns von hier aus zügig in den Einsatzraum begeben zu können. Dann ging ich mit den französischen Kollegen auf Streife. Die ersten zehn Schiffe waren bereits eingetroffen und die Anzahl der Besucher war noch überschaubar.
Im Laufe des zweiten Einsatztags kamen dann auch ein italienischer und ein spanischer Kollege dazu. Es war sehr interessant, sich nun auch mit Kollegen aus anderen Ländern in französischer Sprache auszutauschen. In meiner Gruppe kamen die beiden aus Rom und Madrid.
Unsere Aufgabe bestand im Schwerpunkt darin, den Einsatzraum der Armada zu bestreifen. An den Einlasskontrollstellen mussten alle Beamten aus Sicherheitsgründen trotz Uniform und Schusswaffe ihre Dienstausweise vorzeigen, was sich im Laufe der Tage lockerte, da uns die kontrollierenden Sicherheitskräfte dann bereits kannten. Während jeder Schicht patrouillierten wir 15 - 20 Kilometer beidseitig der Seine in dem insgesamt ca. 7,5 Kilometerlangen Einsatzraum. Aufgrund der ständig wechselnden Witterungsverhältnisse in der Normandie war es schwierig, jeweils eine angebrachte Dienstbekleidung zu finden. Die französischen Einsatzkräfte waren angewiesen auf das Tragen der gelben Regenjacken zu verzichten, um Verwechslungen mit den „Gelbwesten“, falls welche versuchen würden in den Einsatzraum einzudringen, zu vermeiden. Am 8. Juni kam es zwar in Südfrankreich (Montpellier) zu heftigen Ausschreitungen, in Rouen blieb es jedoch ruhig.
An einem Abend wurde aus Sicherheitsgründen bei einem Wind von über 100 km/h die Veranstaltung beendet. Wir waren jetzt für die Räumung verantwortlich. Die Besucher vor Ort folgten unseren Aufforderungen aber ohne Probleme. Des Öfteren räumten wir auch Teilbereiche an den Ufern der Seine, wenn beispielsweise Leitern an die Schiffe angebracht wurden. In einem Fall kam es vor, dass wir einen stark angetrunkenen Seemann an seine Crew übergeben mussten. Ein französischer Kollege sagte uns, dass es in der Vergangenheit schon zu Zwischenfällen gekommen sei, wobei betrunkene Besucher oder auch Schiffspersonal in die Seine gefallen seien.
Wir ermöglichten einer bretonischen Musikgruppe den freien Weg über das Gelände und fanden ein vermisstes achtjähriges Kind, welches wir unbeschadet an die Mutter übergeben konnten. Im Einsatz trafen wir neben Franzosen auch auf verhältnismäßig viele deutsche, italienische und spanische Besucher, die sich begeistert zum Einsatz einer „Europäischen Polizei“ äußerten. Viele Besucher fragten, ob sie uns fotografieren dürften oder ob ein gemeinsames Foto möglich sei, dem wir in der Regel zustimmten. Während des Einsatzes wurde ich auch häufig gefragt, warum kein deutsches Schiff bei der Armada anwesend ist.
In einem anderen Fall kam ein deutschsprachiger, niederländischer Seefahrer, dem bei einer Feier seine Tasche mit wichtigen Unterlagen entwendet wurde, auf unserer Nebenstelle.Mittels meiner Übersetzung wurde er ans Kommissariat verwiesen. Darüber hinaus erklärte ich ihm, dass er selbst mit Sicherheit aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in Videoaufzeichnungen der Kamera einsehen dürfe, da er zuvor davon ausging.
Während einer Streife suchten wir das Journalistenbüro der Armada auf. Neben einem Großraumbüro mit ca. 30 Computern gab es weitere ca. 50 Kleinbüros, von denen medial viel über die Veranstaltung berichtet wurde.
Am letzten Einsatztag konnten wir unseren Dienst gemeinsam mit den „ausländischen Kollegen“ der anderen Gruppe versehen. Zwischen 10 und 18 Uhr fuhren die großen Schiffe wieder ab. Dazu wurde die Brücke „Gustav-Flaubert“ mechanisch hochgezogen und die Schiffe mit ihren meterhohen Masten konnten so darunter passieren. Das geschah unter großem Applaus des Publikums und den Signaltönen der Schiffe.
Danach wurden wir vom Polizeipräsidenten und von der Polizeirätin Legrand gebührend verabschiedet, wobei man sich für unseren Einsatz bedankte und sich mit dem Gelingen des Einsatzes sehr zufrieden zeigte. Es wurde von ca. vier Millionen Besuchern gesprochen, so die Einschätzung seitens der Polizei.
Fazit
Nach meinen Einsätzen in Marseille während der Fußball - Europameisterschaft 2016 und bei der Gendarmerie auf der Ile-de-Ré im Jahr 2018 anlässlich der Tourismus-Hochsaison, war es mir nochmal möglich, an einem Einsatz im europäischen Ausland teilzunehmen. Mit gemeinsamen Einsätzen dieser Art, diesem gegenseitigen Interesse füreinander und dem enormen Zuspruch aus der Bevölkerung diverser Länder wächst der Weg in Richtung einer europäischen Polizei und ich bin wiederum dankbar, dass ich an dieser Entwicklung teilhaben durfte.