In den vergangenen Jahren hat die Polizei Nordrhein-Westfalen das Phänomen der Angriffe auf Geldautomaten als strategisches Schwerpunktthema festgelegt und so wird es auch in 2024 bleiben. Die Anzahl der Geldautomaten-Sprengungen in Nordrhein-Westfalen war im vergangenen Jahr mit 153 Taten rückläufig (2022 waren es 182), ist aber seit Jahren auf einem hohen Niveau. Die Polizei in NRW schöpft daher alle Mittel zur Vorbeugung und Bekämpfung dieser Taten aus. Durch die Kreispolizeibehörden Nordrhein-Westfalens (KPB NRW), die Ermittlungskommission Heat des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen und durch die enge Kooperation mit den niederländischen Behörden, ist es zu einer Vielzahl an Ermittlungserfolgen gekommen. Seit dem Jahr 2015 wurden insgesamt 211 Tatverdächtige festgenommen. Allein in 2023 waren es 26 Festnahmen.
Professionell organisierte Tätergruppe mit krimineller Energie
Ein Großteil der Angriffe auf Geldautomaten in Deutschland wird durch niederländische Tätergruppierungen verübt. Begründet durch die unmittelbare Grenznähe zu den Niederlanden, der Vielzahl von Tatgelegenheiten (mehr als 10.000 Geldautomaten), das gut ausgebaute Autobahnnetz und die hohe Abdeckung an Geldautomaten auch im ländlichen Raum, liegt der Anteil der Taten, die durch diese Klientel verübt wird, in Nordrhein-Westfalen bei über 80 Prozent. Bei diesem Täterkreis handelt es sich um ein professionell vorgehendes, arbeitsteiliges Netzwerk. Die Begehungsformen der Taten werden angepasst und erlangtes Wissen innerhalb der gesamten Struktur schnell vermittelt. Die Täter sind überwiegend männlich, zwischen 18 und 35 Jahre alt. Sie sind oftmals sehr polizeierfahren, reagieren sensibel auf polizeiliche Maßnahmen und passen sich in ihrem Verhalten sehr schnell an.
Daher wurde auch die Kooperation mit den niederländischen Polizeibehörden immer weiter intensiviert. Es findet ein regelmäßiger und umfassender operativer sowie strategischer Austausch statt. Es gibt eine durchgehende grenzübergreifende Zusammenarbeit bei den Ermittlungen und gemeinsame Workshops und Meetings zum Themenkomplex der GA-Sprengungen. Der Fokus liegt dabei sowohl auf der präventiven als auch auf der repressiven Seite. Auf Initiative der Sonderkommission BEGAS beim Ministerium des Innern wurde mit den anderen Bundesländern sowie mit der Bundespolizei und dem BKA eine länderübergreifende Interessengemeinschaft Geldautomaten (LIGA)etabliert, die sich regelmäßig bundesweit zum Phänomen austauscht.
Rücksichtsloses, gefährliches Fluchtverhalten
Nach der Tat flüchten die Kriminellen bevorzugt mit hochmotorisierten gestohlenen Fahrzeugen und zeigen ein rücksichtsloses Fluchtverhalten. Der Zugriff auf diese Fahrzeuge erfolgt entweder legal, unter Nutzung von Mittelsmännern, über Autoverleihfirmen, oder illegal über Diebstähle. Die Beutesummen und Sachschäden, die durch diese Taten entstehen, liegen im Bereich von mehreren Millionen Euro. So belief sich der durch die Banken angegebene Sachschaden im Jahr 2023 auf über 7 Millionen Euro.
Vermehrter Einsatz von Explosivstoffen
Während die Täter in den Jahren 2015 bis 2018 Geldautomaten fast ausschließlich mit Gas sprengten, stellt die Polizei seit 2019 vermehrt den Einsatz von Festsprengstoff fest. Im Jahr 2023 wurden bei weit mehr als 90 Prozent der Taten in Nordrhein-Westfalen diese Explosivstoffe verwendet. Diese Vorgehensweise der Täter ist darauf zurückzuführen, dass nun nahezu alle Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen gegen Gasangriffe gesichert sind. Daher änderten die Täter ihren Modus Operandi.
Die hohe Sprengwirkung gefährdet Unbeteiligte und Einsatzkräfte. Außerdem führt sie zu enormen Beschädigungen an den betroffenen und an umliegenden Gebäuden. Die Spurensuche und -sicherung an den Tatorten erfolgt durch die „Kriminaltechnischen Untersuchungsstellen“ der 16 spezialisierten Polizeipräsidien. Um Risiken durch möglicherweise nicht umgesetzte Sprengstoffreste für Einsatzkräfte und unbeteiligte Dritte einschätzen und ggf. minimieren zu können, wird über den Lagedienst des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen regelmäßig die Tatortgruppe Sprengstoff/Brand, Entschärfer USBV eingebunden. Immer häufiger müssen zudem Feuerwehr und Statiker hinzugezogen werden, um zu beurteilen, ob für die betroffenen Gebäude Einsturzgefahren bestehen.
Sonderkommission BEGAS bildet den strategischen Kopf der Polizei NRW
Als Erfolgsfaktoren zur Bekämpfung des Phänomens zählt der ganzheitliche Ansatz, der den Austausch und das Mitwirken aller Beteiligten innerhalb der Polizei Nordrhein-Westfalen als auch der Banken einschließt. Die zentrale Sonderkommission BEGAS (Bekämpfung und Ermittlung von Geldautomaten-Sprengungen) des Ministerium des Innern bildet für dieses Thema den strategischen Kopf der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Auf Basis der Erkenntnisse der Sonderkommission BEGAS, in enger Abstimmung mit der Krimimalprävention und den Fachleuten der Ermittlungskommission HEAT im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen wurde unter anderem veranlasst, dass
- der Austausch mit den von diesem Deliktsphänomen besonders betroffenen Bundesländern sowie europäischen Staaten intensiviert wird.
- der Austausch mit den Vertretungen der Banken- und Kreditwirtschaft nochmals verstärkt wird.
- im Hinweisportal der Polizei Nordrhein-Westfalen die Einrichtung des Falls „Geldautomatensprengungen“ erfolgt.
- die bisherigen zentralen Ermittlungskapazitäten der EK HEAT seit Juni 2023 auf die Großbehörden Bielefeld, Essen, Dortmund, Düsseldorf, Köln und Münster ausgeweitet bzw. vervielfältigt wurden.
- gemäß der Risikobewertung die als besonders gefährdet bewerteten Geldautomaten zu tatrelevanten Zeiten intensiv bestreift werden.
- die technischen Fachberater der örtlichen Kriminalkommissariate Prävention/Opferschutz die Betreiber der als besonders gefährdet bewerteten Geldautomaten aufsuchen und beraten.
- Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen im Rahmen der „Länderübergreifenden Interessengemeinschaft Geldautomatensprengung – LIGA“ gemeinsam mit den Polizeien der Länder und des Bundes sowie dem BKA abgestimmt werden.
- die Opferschutzbeauftragten der 47 Kreispolizeibehörden NRW unmittelbar nach einer Geldautomatensprengung den Betroffenen Hilfsangebote unterbreiten.
Prävention setzt auf die Sicherung der Geldautomaten und der Standorte
Seit 2015 gibt das LKA Nordrhein-Westfalen Handlungsempfehlungen für Betreiber von Geldautomaten heraus. Zur weiteren Risikominimierung und Prävention steht die Polizei NRW regelmäßig im Austausch mit den Vertretern der Kreditinstitute, der Geldautomaten-Hersteller, der Werttransportunternehmen und mit anderen Verantwortungsträgern. Die empfohlenen Maßnahmen wurden aufgrund eigener Erkenntnisse und aufgrund des Informations- und Erfahrungsaustausches mit den Herstellern von Geldautomaten, den Herstellern von Sicherheitstechnik, Vertretern der Versicherungsbranche und der deutschen Kreditwirtschaft entwickelt.
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen passt diese Handlungsempfehlungen regelmäßig den veränderten Tatbegehungsweisen an. Neben Videoüberwachungen durch zentrale Sicherheitsleitstellen (24/7 Besetzung), wird den Betreibern von Geldautomaten der Einbau von automatisierten Nebelanlagen, bessere mechanische Sicherung der Zugangsmöglichkeiten, der Verschluss des Zugangsbereiches in den Hauptangriffszeiten, der Einsatz von Geldfärbemitteln und die Installation neuartiger Pavillons mit massiver Stahlbetonrundkonstruktion empfohlen. Zudem wird empfohlen, die verfügbare Bargeldmenge in den Automaten zu reduzieren.
Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen liegt im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Banken. Eine Mitteilungspflicht zum Umsetzungsstand besteht nicht. Aus den vertrauensvollen regelmäßigen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der Kreditwirtschaft ist jedoch bekannt, dass viele der hier in Rede stehenden Unternehmen intensiv in Sicherheitsmaßnahmen investiert haben, zum Teil mit einem erheblichen Finanzvolumen in Millionenhöhe.
Hinweisportal für Zeugen von Geldautomaten-Sprengungen
Für eine frühzeitige Gewinnung von Hinweisen zu Geldautomaten-Sprengungen aus der Bevölkerung hat die Polizei NRW ein Online-Portal eingerichtet, das es Bürgerinnen und Bürgern einfach macht, Handy-Bilder und Handy-Videos zu übermitteln. Denn nicht selten greifen Anwohnerinnen und Anwohner zum Smartphone und machen Aufnahmen, wenn sie durch eine nächtliche Sprengung aus dem Schlaf gerissen und Zeuge einer solchen Tat werden. Jeder Hinweis ist wichtig. Die Polizei weist dennoch ausdrücklich darauf hin, dass niemand sich selbst in Gefahr bringen sollte, sondern im Zweifel immer zuerst die 110 wählen sollte
Bürgerinnen und Bürger, die unter https://nrw.hinweisportal.de/ das Hinweisportal aufrufen, können mit wenigen Schritten einen wichtigen Beitrag leisten. In der Maske ist genau erläutert, was eingetragen oder angeklickt werden muss, über einen Button können zudem die Dateien hochgeladen werden. Die Hinweise können auch anonym eingereicht werden. Die nordrhein-westfälische Polizei kann sofort auf dieses Beweismaterial zugreifen.